Rated 5 de
5 de
Michi B. par
Mehr als nur ein RemasterNier Replicant als Remaster zu bezeichnen ist eine der größten Untertreibungen. Das JRPG von Yoko Taro ist nämlich alles andere als typische Genre-Kost. Im Folgenden würde ich kurz auf die Story, Charaktere, Gameplay sowie die Änderungen zum Original eingehen.
Story: Das Spiel spielt im Jahre 3145. Anstatt in einer dystopischen und futuristischen Zukunft, leben die Menschen zurückgezogen in ihren mittelalterlich wirkenden Dörfern. Ein Großteil der Bevölkerung erkrankt oder starb an der mysteriösen "Runenpest" und zusätzlich treiben Schattenwesen in der Welt ihr Unwesen. Aus irgendwelchen Gründen scheinen diese Wesen im Zusammenhang mit dieser mysteriösen Krankheit zu stehen. Man schlüpft in die Haut des 16-jährigen Nier, der sich um seine kranke Schwester Yonah kümmert. Nier erledigt in seinem Dorf regelmäßig Aufträge, um Geld für die Behandlung seiner Schwester zu verdienen. Eines Tages findet Nier das magische Buch Grimoire Weiss. Der fliegende Wälzer plappert oft arrogant vor sich hin, ermöglicht es jedoch Nier Magie zu verwenden. Nier legt seine ganze Hoffnung zur Heilung seiner Schwester in Weiss, denn laut einer Legende soll ein weißes Buch mithilfe von versiegelten Versen alle Krankheiten auf der Welt beseitigen. Zusammen reist das Duo durch die Welt um diese versiegelten Verse zu finden. Ihnen schließen sich im Verlaufe des Story die impulsive Kainé und der liebenswürdige Emil an, die den beiden bei ihren Abenteuern beistehen.
Die Geschichte von NieR Replicant ist alles andere als gewöhnlich. Sie behandelt unangenehme Themen und regt zum Nachdenken an. Nichts ist gewöhnlich, oft passiert was Unvorhergesehenes. Gerade vom erzählerischen übersteigt NieR Replicant seinen Nachfolger NieR Automata.
Charaktere: Die Heldentruppe von NieR Replicant wirkt zuerst wie eine typische Final Fantasy Truppe: Ein androgyner Schönling, ein arroganter Sidekick, die schöne Amazone und ein Maskottchen. Allerdings ist NieR Replicant alles andere als typisch. Der anfangs noch naiv wirkende, aber sympathische Nier kann einem relativ blass vorkommen, jedoch ist seine Motivation und sein Handeln stets nachvollziehbar. Der vor sich hinfliegende Wälzer Grimoir Weiss hingegen plappert oft gerne arrogant vor sich hin, gibt zu jeder Kleinigkeit einen zynischen Kommentar ab und man solle es bloß wagen seinen Namen abzukürzen, geschweige denn zu verniedlichen. Insbesondere die Gespräche zwischen den Charakteren, vor allem herangetrieben von Weiss und Nier sind die größten Highlights des Spiels. Besonders die Beleidigungen zwischen Kainé und Weiss können ziemlich amüsant sein. Kainé ist eher impulsiv, flucht bei jeder Kleinigkeit und ist zum Leidwesen von Weiss sehr freizügig in Unterwäsche unterwegs. Was anfangs wie ein japanisches Klischee klingt besitzt einen nachvollziehbaren Grund. Kainé ist intersexuell (was übrigens kein Spoiler ist) und wurde aufgrund dessen verstoßen. Lediglich ihre Großmutter akzeptierte sie so wie sie ist und schenkte Kainé das nötige Selbstvertrauen. Kainé sieht sich als Frau und will auch so gesehen werden, was der Grund für ihre freizügige und offensichtliche Kleiderwahl ist. Diese Umstände erzählt NieR Replicant jedoch nicht direkt. Stattdessen erzählt das Spiel viele Themen eher indirekt, was viel mehr Freiraum für Interpretationen lässt. Zu allem Übel beherbergt Kainé den Schatten Tyrann, der für sie eine Große Last darstellt. Auch der liebenswerte Emil muss mit der Last leben, dass sein Blick alles zu Stein verwandelt. Warum Emils Augen solch eine Fähigkeit haben wird nach und nach in der wirklich toll geschriebenen Story aufgedeckt, welche spannende Wendungen bietet. Alle vier Protagonisten profitieren von ihren hervorragenden Sprechern, allen voran Grimoire Weiss und Kainé. Eine große Stärke von Nier ist vor allem die Charakterisierung von einigen NPCs, Nebencharakteren oder sogar von Gegnern. Gerade im zweiten Spieldurchlauf merkt man, dass es hier weder Schwarz, noch Weiß gibt.
Gameplay: Da gerade von Spieldurchläufen die Rede war... NieR Replicant besitzt insgesamt 5 Enden. Um die 4 üblichen Enden durchzuspielen, muss man das Spiel mindestens dreimal durchspielen. Jedoch wiederholt man bei Durchlauf 2 und 3 lediglich die zweite Speilhälfte. Was gleichzeitig eine Stärke ist, ist auch eine enorme Schwäche von NieR Replicant. Der zweite Spieldruchlauf bietet einige neue Einblicke, wie Cutscenes oder zusätzliche Dialoge, jedoch bleibt das Spiel nicht vom Backtracking verschont. Oft reist man schon an besuchte Orte zurück oder gerade der dritte Spieldurchlauf beinhaltet sehr viele Wiederholungen. Was NieR Replicant jedoch ausgesprochen gut umsetzt ist das Kampfsystem. Toylogic hat dieses komplett überarbeitet und an den Nachfolger NieR Automata angepasst. Mit NieR Automata kann es zwar nicht ganz mitteilen, jedoch braucht sich NieR Replicant nicht zu verstecken, da es genauso viel Spaß bietet. Wahlweise kann man zwischen Schwertern, Zweihandschwertern und Speeren wechseln, wobei beide letzteren erst ab der zweiten Spielhälfte nutzbar sind. Das actionreiche Kampfsystem ermöglicht es schnelle und stylische Kombos auszuführen, wobei auch blocken und ausweichen möglich ist. Es gab unter anderem auch die ein oder andere Komfortanpassung, wie z.B. das gleichzeitige Einsetzen von Nahkampf und Magie oder das Hinzufügen von Luftkämpfen. Ein Großteil der Nebenquests in NieR Replicant sind Fetch-Quests (Geh mal da hin, bekämpfe da ein paar Gegner, besorge mir 5 Hammelfleisch). Leider merkt man bei den Nebenquests, als auch in der Hauptstory das veraltete Questdesign. Allerdings sollte man erwähnen, dass sich aus so mancher Nebenquest eine schöne Geschichte entspinnt (z.B. die Leuchtturmfrau). Kleine Anmerkung zum System: Auf der Xbox One lief das Spiel ruckelfrei und flüssig. Es gab weder Framerate-Einbrüche noch sonst irgendwelche technischen Mängel. Einziger Kritikpunkt kann die Ladezeit zwischen den Gebieten sein, die auf Dauer nervig sein können, jedoch dieses Problem auf den neueren Systemen (PS5 und Xbox Series X) kaum Auswirkung haben.
Vergleich mit dem Original: Als NieR 2010 erschien war es sowohl vom Spieldesign, als auch von der Grafik sehr veraltet. Trotz seiner eherblichen Schwächen wurde es zu einem Kritikerliebling. NieR Replicant bietet eine komplett überarbeitete Grafik mit schönen Texturen, ein komplett überarbeitetes und spaßiges Kampfsystem und einige Komfortoptionen, wie zum Beispiel ein automatisches Kampfsystem für die einfacheren Schwierigkeitsgrade. Auch die Cutscenes bekamen selbstverständlich eine Verjüngungskur, an der man nichts aussetzen kann. Zusätzlich wurden die Charaktere und der hervorragende Soundtrack von Keichii Okabe neu vertont. Unter anderem bietet NieR Replicant mehr Inhalt als das Orignal, da die Hauptquest sinnvoll erweitert und ein zusätzliches Ende hinzugefügt wurde. Ansonsten bleibt sich NieR in seiner Erzählung, seinen Quests und seiner Präsentation treu. Die größte Änderung in der Story betrifft jedoch den Hauptcharakter. In Japan erschien NieR in zwei Fassungen: NieR Gestalt und NieR Replicant. Der große Unterschied besteht im Aussehen und der Beziehung zu Yonah. Während man in Replicant den Bruder spielt, der auch der urpsrünglich vorgesehene Charakter war, ist man in NieR Gestalt der Vater von Yonah. NieR Gestalt entspricht der internationalen Fassung, womit man bei uns im Westen eigentlich Vater Nier gewohnt ist.
Fazit: NieR Replicant ist mehr als nur ein Remaster. Es bietet eine atmosphärische Welt, eine spannende Geschichte mit vielen Wendungen, glaubwürdige Charaktere und einen der besten Soundtracks. Für Fans von NieR Automata oder Fans von spannenden und verworrenen Storys ist NieR Replicant ein absolutes Muss. Es regt zum Nachdenken an, keine übliche Schwarz-Weiß-Schraffrierung und bietet trotzdem einigen Interpretationsspielraum. Gerade im Punkt Story und Charakteren ist NieR Replicant sogar noch besser als sein Nachfolger Automata. Grafisch und vom Kampfsystem kann NieR Replicant mit heutigen Spielen problemlos mithalten, jedoch muss man kleine Abstriche machen in Punkten wie Quest-Design oder der Detailarmut von NPCs. NieR Replicant ist Stand jetzt das mutigste und gelungendste Remaster, dass es bisher gab und ich hoffe viele Entwickler beweisen den Mut, den Toylogic hier bewiesen hat.